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Reisepässe des Lebens

Reisepässe des Lebens

Während des Zweiten Weltkrieges führten polnische Diplomaten in Bern in der Schweiz zusammen mit jüdischen Organisationen eine sog. Reisepass-Aktion durch. Ihr Ziel war, Juden vor der Shoah zu retten. Die sog. Ładoś-Gruppe, der Aleksander Ładoś, Konstanty Rokicki, Abraham Silberschein, Chaim Eiss, Stefan Ryniewicz und Juliusz Kühl angehörten, stellte gefälschte Reisepässe und Bescheinigungen der Staatsbürgerschaft lateinamerikanischer Staaten auf die Namen von Juden aus, die von der Vernichtung bedroht waren. Die Inhaber:innen dieser Dokumente wurden interniert, konnten jedoch gegen deutsche Kriegsgefangene ausgetauscht werden. Das war eine lebensrettende Chance, der Deportation in ein Todeslager zu entgehen.

 

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Aleksander Ładoś

Chargé d'affaires

Aleksander Ładoś (1891-1963) war ein polnischer Diplomat, Publizist und Politiker. Seit 1913 war er Mitglied der Polnischen Volkspartei PSL „Piast“ und nach Vereinigung der Bauernbewegung im Jahre 1931 Mitglied der Volkspartei „Stronnictwo Ludowe“. Den Dienst in der polnischen Diplomatie trat er im Jahre 1919 an. 1920-1921 war er Sekretär der polnischen Delegation während der Friedensverhandlungen mit der Sowjetunion. Anschließend war er als Gesandter der Republik Polen in Lettland (1923-1926) und dann als Generalkonsul der Republik Polen in München (1927-1931) tätig. 1931 wurde er vom Auswärtigen Amt entlassen, kurz nachdem Józef Beck die Funktion des stellvertretenden Ministers übernahm. In den dreißiger Jahren beschäftigte er sich vorwiegend mit politischer Publizistik. Nach Kriegsausbruch war er vom 3. Oktober bis zum 7. Dezember 1939 im Auftrag von Stronnictwo Ludowe Minister ohne Geschäftsbereich in der Exilregierung von Władysław Sikorski. In den Jahren 1940-1945 war er Gesandter der Republik Polen in der Schweiz im Rang eines Chargé d’affaires ad interim. Er betreute damals Flüchtlinge aus Polen und internierte Soldaten der 2. Division der Infanterieschützen. Er leitete die Gruppe, die illegale Pässe lateinamerikanischer Länder für von den Deutschen verfolgte Juden ausstellte. Als Chef der polnischen Einrichtung in Bern sorgte Ładoś für den diplomatischen Schutz der Gruppe. Im Jahre 1943, als die Schweizer der Hilfsaktion auf die Spur gekommen waren, intervenierte er bei dem dortigen Außenminister und half so, die Aktion geheim zu halten. Außerdem ermöglichte er den jüdischen Organisationen in der Schweiz die Nutzung der polnischen diplomatischen Schlüssel, wodurch sie Kontakte mit den USA aufrechterhalten konnten. Nach dem Krieg lebte er im Exil in der Schweiz und zog 1946 nach Frankreich. Im Jahre 1960 kehrte er nach Polen zurück. Er starb in Warschau drei Jahre später.

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DIE ŁADOŚ-GRUPPE

DIE ŁADOŚ-GRUPPE

Die Ładoś-Gruppe, auch als die Berner Gruppe bekannt, bestand aus polnischen Diplomaten, Mitarbeitern der Gesandtschaft der Republik Polen in Bern und aus mit ihnen zusammenarbeitenden Vertretern jüdischer Hilfsorganisationen. An der Spitze der Gruppe stand Aleksander Ładoś, Chargé d’affaires der polnischen Gesandtschaft. Außer ihm gehörten auch drei andere polnische Diplomaten zu der Gruppe: Stefan Ryniewicz, Konstanty Rokicki und Juliusz Kühl, sowie zwei Mitglieder jüdischer Organisationen in der Schweiz: Abraham Silberschein und Chaim Eiss. Während des Zweiten Weltkriegs, mindestens seit Anfang 1941 bis Ende 1943, beschäftigten sich die Mitglieder der Gruppe mit dem illegalen Erwerb und der Herstellung von Reisepässen und Bescheinigungen über die Staatsangehörigkeit lateinamerikanischer Länder (vor allem Paraguay). Diese Dokumente wurden anschließend an Juden gesendet, die sich auf den von Deutschland besetzten Gebieten aufhielten, wo der Besitz solcher Papiere die Überlebenschancen erhöhte. Juden, für die diese Pässe ausgestellt wurden, konnten in Internierungslager statt in Vernichtungslager deportiert werden.

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Botschaft der Republik Polen in Bern

Botschaft der Republik Polen in Bern

Die Gesandtschaft in der Schweiz war eine der wenigen polnischen diplomatischen Einrichtungen, die auch während des Krieges ununterbrochen tätig waren. In Europa funktionierten damals außer der Gesandtschaft in Bern noch zwei Botschaften (in London und im Vatikan) sowie drei Gesandtschaften (in Lissabon, Madrid und Stockholm). Die schweizerische Einrichtung spielte eine besondere Rolle, denn anders als die sonstigen Gesandtschaften und Botschaften befand sie sich im Zentrum Europas und in einem neutralen Staat. Daher konnten aus Bern äußerst wichtige Chiffretelegramme gesendet werden, in denen man von der aktuellen Lage im besetzten Polen und von der Schoah berichtete. Ferner war es ein wichtiger Transitpunkt für die Kuriere der polnischen Regierung. Der Standort dieser Gesandtschaft war auch für die Durchführung der Passaffäre durch die Ładoś-Gruppe entscheidend. In der neutralen Schweiz gab es zahlreiche andere diplomatische Einrichtungen, darunter aus den lateinamerikanischen Ländern, die anders als ähnliche Einrichtungen aus den mit dem Dritten Reich kollaborierenden Ländern keinem direkten Druck seitens der Deutschen ausgesetzt waren. In der Schweiz befanden sich die Sitze bzw. Vertretungen zahlreicher internationaler Organisationen, auch jüdischer Hilfsorganisationen, was die Beschaffung von Personaldaten und den Aufbau eines Schmuggelnetzes einfacher machte.

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Pässe

Pässe

Während des Zweiten Weltkriegs, mindestens seit Anfang 1941 bis Ende 1943, beschäftigten sich die Mitglieder der Ładoś-Gruppe mit dem illegalen Erwerb und der Herstellung von Pässen und Bescheinigungen über die Staatsangehörigkeit von vier Ländern in Süd- und Mittelamerika: Paraguay, Honduras, Haiti und Peru. Bei diesen Dokumenten handelte es sich um gefälschte Bescheinigungen der Staatsangehörigkeit dieser Länder. Sie sollten Jüdinnen und Juden eine Rettungschance während des Krieges bieten.

Der Erfolg der ganzen Hilfsaktion setzte vor allem den Erwerb originaler Blankopässe voraus, wobei dafür große Geldmengen erforderlich waren. Für die erste Kontaktaufnahme mit den zuständigen Diplomaten war vor allem Stefan Ryniewicz zuständig. Chaim Eiss und Abraham Silberschein, unter Mitwirkung von Juliusz Kühl, konzentrierten sich auf die Beschaffung von Geldmitteln, vor allem von jüdischen Organisationen. Nach dem Kauf (also im Regelfall nach Bestechung der zuständigen Diplomaten) wurden die Dokumente von Kühl in die polnische Gesandtschaft gebracht. Dort füllte Konstanty Rokicki, möglicherweise gelegentlich auch Ryniewicz, die Personaldaten in den Formularen aus und klebte Passbilder von Personen ein, für welche diese Dokumente bestimmt waren. Diese Angaben wurden von Silberschein und Eiss übermittelt, die anerkannte Funktionen bekleideten und über umfassende Kontakte innerhalb der jüdischen Diaspora verfügten. Ausgefüllte und von den lateinamerikanischen Diplomaten beglaubigte Fotokopien der Dokumente (die Urschriften sollten in der Schweiz bleiben) wurden in die von den Deutschen besetzten Länder gesendet, vor allem durch das von Eiss organisierte Schmuggelnetz. Als schwierigste Aufgabe stellte sich heraus, die Länder, für die diese Pässe ausgestellt wurden, zur Anerkennung der Staatsbürgerschaft der Passinhaber:innen zu überreden. Dafür war in größtem Maße Aleksander Ładoś zuständig. U. a. dank seiner diplomatischen Bemühungen erkannten im Jahre 1943 die Behörden in Paraguay die gefälschten Pässe vorübergehend an.

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Haiti Honduras Peru Paraguay

Ich hätte gerne einen Pass für Uruguay,
ach, dieses Land ist so schön frei…
ach, es tut so gut Staatsbürger zu sein,
eines Landes namens: Uruguay…

Ich hätte gerne einen Pass für Paraguay,
dieses Land ist goldig und frei,
ach, es tut so gut Staatsbürger zu sein,
eines Landes namens: Paraguay.

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